1.  Einleitung

Der heiligen Wolfsindis ergeht es wie vielen anderen Heiligen.  Ihre Geschichtlichkeit wurde oftmals, vor allem im 18. Jahrhundert und zuletzt von Dr. Fritz Markmiller in seinen Kommentaren zur Dissertation von Arthur Rosenthal-Dürr, „Die hl. Wolfsindis von Reisbach, Fakten, Legende, Kult“ angezweifelt. Die Gläubigen der Pfarrei Reisbach und viele Wallfahrer aus nah und fern waren immer überzeugt, dass es die hl. Wolfsindis wirklich gegeben hat. Sie haben sie als Schutzpatronin Reisbachs und des Vilstaler Landes verehrt und ihre machtvolle Fürsprache erfahren. Was Walter Nigg in seiner Biographie über den Pfarrer von Ars  bezüglich dessen Philomenaverehrung schreibt, möchte ich auf die hl. Wolfsindis anwenden:

„Wolfsindis bleibt in ein Geheimnis eingehüllt, das nicht gelüftet werden kann. Man braucht keiner Geheimniskrämerei zu huldigen, um vom Mysterium der Geschichte überzeugt zu sein. Von all dem, was in der Geschichte geschehen ist, begreifen wir stets nur einen kleinen Teil und selbst den immer nur nach unserem begrenzten Verständnis. Der größere Teil entzieht sich unserer Kenntnis. … Aus dem Geheimnis der Geschichte geschahen die Wunder in Reisbach, die rational unerklärbar sind, sonst wären es keine Wunder. Deswegen stehen wir in dieser Frage auf Seiten der vielen gläubigen Wallfahrer in Reisbach mit Pfarrer Laiminger von Reisbach, Maximus von Imhof, Franz Xaver von Schwäbl, Ignatz von Streber und den vielen späteren Seelsorgern und nicht auf jener der Bestreiter der hl. Wolfsindis – wir möchten lieber mit den ersteren Unrecht haben als mit letzteren Recht.“

2. Die ersten Zeugnisse über die hl. Wolfsindis

Zum ersten Mal wird die hl. Jungfrau und Märtyrerin Wolfsindis im Jahr 760 erwähnt: in der Urkunde über die Schenkung Reisbach’s von Seite des Herzog Thassilos II. an das Kloster Wessobrunn. Hier finden wir die Notiz, dass diese Heilige in der Villa Reisbach begraben liege: Monumenta Boica 1766, Bd. VII. Codex traditionum Seite 337, Num. I sub Abbate Ilsungo a. 760: „Notum sit omnibus Christi fidelibus, quod Tazzilo Rex Bauwariorum tradidit villam Risbach, in qua sepulta est Sancta Wolfsinidis virgo et martyr.“ : „Alle Christgläubigen  sollen wissen, dass Thassilo, König von Bayern, das Dorf Reisbach, in dem die heilige Jungfrau und Märtyrerin Wolfsindis begraben liegt …“

Aus den im Archiv des bischöflichen Ordinariats Regensburg vorhandenen  Quellen, zunächst beim Chronikon zum Behufe der Geschichte des Klosters Wessobrunn, liegt die Notiz vor, dass die Heilige schon im 7. Jahrhundert nach Reisbach gekommen sei. Entweder kam sie während ihres Lebens dorthin, oder  sie wurde als Verstorbene dorthin gebracht.  Im 8. Jahrhundert jedenfalls war sie dort beigesetzt und verehrt worden:  „Jam Saeculo VII. vel etiam citius Reispachum venit seu viva seu defuncta St. Wolfsindis et saeculo VIII. jam Reispaci eadem tumulata est et cultum habet.“

In einer Urkunde von Bischof Heinrich I., Graf von Wolfratshausen  (1132 – 1155) ist zu lesen: „Allen in Zukunft und jetzt lebenden Christgläubigen soll es bekannt sein, dass ich, Heinrich, durch Gottes Gnade unwürdiger Bischof von Regensburg aus Anlass des Festes des heiligen Erzengels Michael und wegen des Verdienstes der heiligen Jungfrau und Märtyrerin Wolfsindis der Kirche von Reisbach alle Zehnten übergebe, die seit alter Zeit ihr gehören “

3. Der Name Wolfsindis

Weitere Namen für die heilige Wolfsindis sind Wolfsinde, Wolfsine, Wulfeswint. Wulfeswint heißt übersetzt die „schnelle Helferin“ Dieser Name ist ziemlich zweifellos ein ostgotischer Name. Im Altgermanischen kommt er nur ein einziges Mal, nämlich im Verbrüderungsbuch von St. Peter in der Form Wolsuint vor, und dort, wie es scheint, als altgermanischer, abgesehen vom gotischen Idiom, auch nur ausnahmsweise, d.h. weil jene fromme Frau, die am Anfang des 9. Jahrhunderts gestorben, auf den Namen der Reisbacher Heiligen getauft war.

4. Wann hat Wolfsindis gelebt?

Nach Prof. Dr. A. Huber lebte die hl. Wolfsindis vor dem 7. Jahrhundert. Ihre Verehrung kann bis zum 7. Jahrhundert nachgewiesen werden, ist also uralt. Zweifelsohne wurde die Heilige alsbald nach ihrem Märtyrertod verehrt und angerufen.

Bild1: Wolfsindisdarstellung in der Salvatorkirche

In 5. Jahrhundert wirkten im jetzigen bayerisch-österreichischen Raum zwei große Missionare: der hl. Valentin und der hl. Severin. Beide hatten keine großen Missionserfolge in dieser Zeit der Völkerwanderung. Severin wirkte  in Juvavum (=Salzburg), in Castra Quintana (=Künzing) und Castra Batava (= Passau).  Somit liegt die Annahme sehr nahe,  dass der hl. Severin sich von Juvavum auf der Römerstraße, die von Salzburg nach Regensburg führte, über Turum (=Neuötting) in der Richtung nach Castra Regina (=Regensburg) bis Dingolfing am Isarübergang begeben habe, und von da aus auch die  Römerstraße nach Castra Quintana (=Künzing) und Castra Batava (= Passau).  Er kam auf dieser Reise also auch nach Reisbach.  Unterwegs hat sicherlich auch als Missionar gewirkt, Christen gestärkt und einzelne Menschen für en christlichen Glauben gewonnen. 

Wolfsinids war eine Ostgotin, wie ihr Name sagt. Als sie in unser Gebiet kam, fand sie Christen unseres Glaubens vor, welche ihren katholischen Glauben selbst während der schwersten Bedrängnisse der Völkerstürme und Barbareneinfälle treu bewahrt hatten.

Die Ostgoten aber waren Arianer, die nicht an den dreifaltigen Gott glaubten. Es ist denkbar, dass Wolfsindis erst in ihren Jugendjahren vom arianischen zum katholischen Bekenntnis übergetreten war. Möglich ist auch, dass sie schon  ursprünglich von katholischen Eltern ostgotischer Nationalität  abstammte und dann von Gott besonders begnadigt ihre Jungfräulichkeit dem himmlischen Bräutigam widmete.

 In dem einen wie im anderen Fall konnte sie ein Opfer des häretischen Fanatismus ihrer arianischen Landsleute oder auch der Privatrache eines lüsternen Mannes werden, der sie sich als Braut ausersehen hatte. Derartige Opfer der Privatrache finden wir eine beträchtliche Anzahl in den Märtyrerakten bekannter römischer Märtyrerinnen wie der hl. Agnes.  Die hl. Wolfsindis wurde um ihres Glaubens willen gemartert, und ihre Peiniger waren nicht Bajuwaren. Diese kamen später und kümmerten sich nicht um die Glauben der ansässigen Landbevölkerung.

Unter dem  Ostgotenkönig Theoderich gab es jedoch in seinen drei letzten Regierungsjahren (523 bis 526) blutige Verfolgung der Katholiken. So steht der Vermutung nichts entgegen, dass das Martyrium der hl. Wolfsindis in dieses Triennium (= in die Zeit dieser drei Jahre) gefallen sein möge. Dr. Huber nimmt an, dass die hl. Wolfsindis in diesem Zeitraum als Märtyrerin starb. Sie starb als Blutzeugin für das Bekenntnis des Glaubens an Gott den Dreieinen. Weil die Ostgoten Arianer waren und als solche die Gottheit Jesu Christi leugneten, so wurde die Heilige, weil sie standhaft Jesus Christus als den wahren Sohn Gottes  bekannte, deshalb gemartert. An der Stelle ihres ruhmreichen Todes entsprang eine Quelle, welche aus drei Adern fließt. Die Dreizahl kommt auch beim Martyrium des hl. Apostels Paulus vor, indem drei Quellen entsprangen am Ort seines Martyriums außerhalb der Mauern Roms – und diese Dreizahl bezieht sich augenscheinlich auf das Bekenntnis des dreieinigen Gottes.

5. Wo ist oder war die hl. Wolfsindis begraben? 

In der alten Urkunde von 760 des Klosters Wessobrunn heißt es, dass die heilige Wolfsindis in Reisbach begraben ist.

Diese Notiz ist glaubwürdig. Die hl. Wolfsindis wurde in dieser Zeit offensichtlich in Reisbach und in der Umgebung verehrt. Sie war wertvollste Erbschaft aus der Vorzeit der dortigen Christen. Wo wird sie wohl begraben worden sein?

Nun hilft uns eine Feststellung aus dem Matrikelbuch der Diözese Regensburg (über Reisbach weiter: „Die Kirche in Reisbach soll zu den ältesten Taufkirchen im Vilstal zählen und auf den hl. Rupert von Salzburg (Anfang des 8. Jahrhunderts) zurückgehen.“ Hiermit wird A. Huber zitiert und bestätigt.   Wie kommt Dr. A. Huber zu dieser Annahme?

Der hl. Rupert hatte den bayerischen Herzog Theodo getauft. Er war zwei oder drei Jahre in Regensburg tätig und hatte dort den Adel im Gefolge des Herzogs zum christlichen Glauben bekehrt. Nun erhielt er vom Herzog die Generalvollmacht zur Mission im ehemaligen Norikum. Er sollte mit der Missionierung eine unmittelbare Verbindung mit der einfachen Bevölkerung herstellen und damit auch den Boden für die Aufrichtung der weltlichen Herrschaft bereiten. Rupert stellte Bedingungen. Er erhielt Salzburg und einen Großteil der Solequellen von Reichenhall, die eine Monopolstellung im Ostalpenraum einnahmen. Aus Iuvavum wurde Salzburg.

Zu Missionstätigkeit Ruperts gehörte, dass er überall im Land den Glauben verkündete, Kirchen baute, Taufkapellen errichtete. Wenn nun der Salzburger Bischof unterwegs nach Regensburg war (es wird z.B. von seinen Reisen nach Worms, wo er vorher Bischof war, berichtet), hatte er im Abstand von ca. 40 km unterwegs Liegenschaften (Landgüter mit Herrenhöfen). Dort konnte er mit seinen Leuten übernachten. Solche waren, von Regensburg Richtung Salzburg: Kruckenberg, Feldkirchen und Reith bei Reisbach. Rupert kam also sicherlich mehrmals nach Reisbach. Wenn nun hier vor Ort die heilige Wolfsindis begraben war und verehrt wurde, ist es naheliegend, dass er über ihrem Grab die erste Kirche errichtete. Es ist wohl der Ort der jetzigen Pfarrkirche, damals auf einem kleinen Hügel stehend. Huber vermutet, dass dort eine sogenannte Villa publica, herzogliche Kammer- oder Amts-Hof stand, wo der Herzog selbst öffentliches Gericht hielt.

Damit dürfte durch Rupert die hl. Wolfsindis in Bayern eine große Verehrung erfahren haben.  Somit ist anzunehmen, dass es bereits eine allgemein bekannte Verehrung der hl. Wolfsindis gab, als 760 durch Herzog Tassilo Reisbach an das Kloster Wessobrunn kam.

 Unter diesem Aspekt liegt die Annahme nahe, dass die hl. Wolfsindis in unserer Pfarrkirche begraben liegt. Mehrfach, vor allem 1827 und 1893  wurde in der Gruft unter der Kirche, wo die Grafen von Warth beigesetzt sind („Die Leichname dieser Herren (von Warth) kann man bis jetzt sitzenderweise in der Krypta sehen“, schreibt Pfr. Laiminger an 1752 an Pater Coelestin Leuttner), nach den Reliquien der hl. Wolfindis gegraben und geforscht. Diese Gruft war auch im 19. Jahrhundert noch leicht zugänglich. Eine große Marmorplatte in der Mitte der Kirche führte zur Gruft hinab. Aber die von dort weiterführenden Gänge waren fast gänzlich verfallen. Die Suche wurde leider erfolglos.

Nach einer alten Überlieferung waren die Reliquien der hl. Wolfsindis in Gold gefasst und in einem kostbaren Schrein auf dem nördlichen Seitenaltar der Reisbacher Pfarrkirche St. Michael ausgestellt. An diesem Platz  steht jetzt der Mariä-Krönungsaltar. Diese Annahme würde das schöne Rippengewölbe und den Sinn der Seitenkapelle an diesem Platz erklären, wo sie im Mittelalter und zu Beginn der Neuzeit vermutlich verehrt worden ist. Aber auch die Tatsache, dass damals noch nicht so sehr der Ort des Martyriums von Bedeutung war, weil ihre Gebeine eben in der Pfarrkirche verehrt wurden.  Dass sie um das Jahr 1500 verehrt wurde, bezeugt die Tatsache, dass in dieser Zeit eine Holzfigur mit ihrer Darstellung geschnitzt wurde, die jetzt Mittelpunkt des rechten Seitenaltares in der St. Martinskirche zu Dirnaich, Pfarrei Gangkofen ist.

Bild 2: Wolfsindisstatue, Pfarrkirche

 Um sie vor Schändung und Plünderung zu bewahren, sollen vier Bürger 1634, während des Dreißigjährigen Krieges, kurz vor dem Einfall der Schweden in Reisbach die sterblichen Überreste der Heiligen zur Nachtzeit vergraben und das Geheimnis mit ins Grab genommen haben. Es ist anzunehmen, dass diese vier Bürger schon kurz vor der Translation der seligen Überreste der Heiligen entweder eines frühzeitigen Todes starben oder sie fielen der damals auch in Reisbach wütenden Pest zum Opfer oder sie wurden von den Schweden als Geiseln mitgenommen oder getötet.

6. Das Leben der hl. Wolfsindis

Über das Leben und Martyrium der heiligen Wolfsindis ist zwar in geschichtlichen Quellen weiter nichts zu finden; aber dennoch genügen die vorstehenden zuverlässigen Angaben, um die Existenz, das Martyrium und die Verehrung der hl. Wolfsindis zu beweisen. Sicher ist: es lebte eine Jungfrau, die den Namen Wolfsindis hatte; sie starb als Märtyrerin und wurde als hl. Jungfrau und Märtyrerin verehrt und angerufen. Hierzu kommt noch ein besonders wichtiger Beweis, nämlich die mündliche Überlieferung (Tradition). Es ist allerdings unmöglich, das streng Geschichtliche von Zutaten (Ausschmückung) durch den Volksmund zu trennen; das Wichtigste jedoch wird dadurch bekräftigt. Es lässt sich auch nichts Stichhaltiges gegen die Wahrscheinlichkeit der Art des Martyriums der hl. Wolfsindis vorbringen. Es existieren nun zweierlei Arten dieser mündlichen Überlieferung aus den ältesten Zeiten.

Die beiden Überlieferungen der Geschichte der hl. Wolfsindis
(zitiert nach Arthur Rosenthal-Dürr)

Die ältere Überlieferung der Wolfsindisgeschichte

Sie findet sich erstmals schriftlich im Bayerischen Landboten vom 2. Januar 1843. Der Verfasser ist Weihbischof von Streber, ein gebürtiger Reisbacher.

“Das ebenso schöne wie fruchtbare Vilstal ist von zwei mäßigen Hügelreihen eingeschlossen, welche  abwechselnd mit Feldern, Waldungen, Kirchen und Schlössern bedeckt sind. Ein solches Schloss ist die eine Viertelstunde von Reisbach entfernte Warth, von deren Zinnen man das ganze üppige Tal überblickt bis hinab in die Waldgebirge.

In dieser Burg, so geht die Sage, hausten in grauer Vorzeit Gaugrafen, deren Namen nun unbekannt, deren Sitz aber frühzeitig die Warther eingenommen (Hund in seinem Stammbuch nennt schon 968 einen Leinhard, 996 einen Siegfried von der Warth). An den morschen Stamm des Heidentums war noch kaum die Axt angelegt, aber zu den Ohren des Burgfräuleins Wolfsindis war die Kunde gedrungen und in ihrem frommen Sinn hatte die Botschaft freudigen Anklang gefunden.  Doch die Veränderung, die im Innern der Jungfrau vorgegangen, blieb dem heidnischen Vater  nicht verborgen. Dem neuen Glauben sollte sie entsagen, der so viele Beseligung in ihr Herz gegossen, zum Götzendienst zurückzukehren, der ihr zum Abscheu geworden. Menschenfurcht hatte sie verabscheuen gelernt, aber zum ersten Male war sie ihrem Vater ungehorsam. Dieser ließ die zarte Jungfrau herabschleppen in das Tal, und an einem Hügel, einige hundert Schritte von Reisbach entfernt, musste sie den Tod einer Märtyrin sterben. Ihre Gebeine wurden später gesammelt und in der dem heiligen Michael geweihten Pfarrkirche zu Reisbach begraben.  An der Stelle, wo ihr unschuldiges Blut geflossen, sprudelt ein frischer Quell, und niemand kommt dorthin,  der nicht in dem hellen Wasser seine Augen badet; denn die Quelle steht im Ansehen heilender Kraft.“

(zitiert nach Arthur Rosenthal-Dürr)

Die jüngere Überlieferung der Wolfsindisgeschichte

Sie findet sich in gedruckter Fassung erstmals  in dem Kapitel über „Die St. Wolfsindis-Kapelle zu Reisbach in Niederbayern“ im Sulzbacher Kalender, Jahrgang 1852, S 70.   Sie lautet:

„Wolfsindis oder Wolfsinde, ein edles Fräulein aus dem nahen Schlosse Warth, lebte sehr fromm, sittsam und eingezogen. Als das Land von Kriegsvölkern besetzt war, lag der Anführer einer feindlichen Rotte im Schlosse im Quartier. Dieser von den mannigfachen Reizen der Jungfrau angezogen, machte ihr unehrbare Anträge, die aber von der züchtigen Jungfrau auf das Entschiedenste zurückgewiesen wurden. Da der Offizier seine ruchlose Absicht in Güte nicht erreichte, so wendete er Gewalt an und suchte die sittsame Jungfrau gewaltsam zu seiner Lust zu missbrauchen. Das Fräulein entfloh mit  vieler Mühe. Der feindliche Kriegsmann wendete nun folgende List an, um doch zum Ziele seiner bösen Wünsche zu kommen. Er stellte sich, als wäre er abberufen und blieb einige Zeit nach geschehener Abreise vom Schlosse weg. Und als er glaubte, dass die schüchterne Taube wieder aus ihrem Versteck hervorgekommen sei, erschien er wieder auf der Warth und forderte ungestümer als je die Erfüllung seiner Lust. Und als das sittsame Fräulein dieses ebenso entschieden verweigerte, so wandelte sich seine tierische Liebe in tödlichen Hass. Er ergriff die Jungfrau, band sie an den Schweif seines Pferdes, setzte sich darauf,  und sprengte in wildem Toben Reisbach zu, und da, ganz nahe beim Markt, gab die Martyrin der Keuschheit den Geist auf,  und auf diesem Platz entsprang eine Quelle und steht jetzt das Kirchlein.“

(zitiert nach Arthur Rosenthal-Dürr)
Bild 3: Martyrium der hl. Wolfsindis; Gemälde in der Wolfsindiskapelle (von P. M. Kalt OFMConv)

Zusammenfassung

Beide Überlieferungen der Geschichte der hl. Wolfsindis haben vier übereinstimmende Merkmale:
1. Wolfsindis ist adeliger Abstammung
2. Sie lebt auf dem Reisbach nahegelegenen Schloss Warth.
3. Sie stirbt als Märtyrerin.
4. An der Stelle, wo sie ihr Leben aushaucht, entspringt eine Quelle.

Die Ursache, warum sie als Märtyrerin stirbt, ist unterschiedlich:
Nach der älteren Fassung stirbt sie als Märtyrerin, weil sie ihrem Vater den Gehorsam verweigert, der sie auffordert, dem neuen Glauben zu entsagen und zum alten, dem Götzendienst, zurückzukehren. In der Gehorsamsverweigerung sieht indessen ihr Vater ein so schweres Verbrechen, das nur mit dem Tod gesühnt werden kann. Wolfsindis stirbt lieber als überzeugte Christin den Märtyrertod als ihrem Seelenheil zu schaden. Mit Verleugnung des weltlichen Lebens hat sie somit ein neues, das ewige Leben gewonnen. Gleichsam als Bestätigung ihrer Heiligkeit und Fürspreche entspringt am Ort ihres Martyriums eine Quelle.

Zum Begräbnis in der dem Erzengel Michael geweihten Kirche:  Der Ort des Martyriums war ein Sumpfgebiet. Die hl. Wolfsinidis wurde vermutlich  auf einem damals nahegelegenen kleinen Hügel bestattet. Über dem Grab wurde durch den hl. Rupert die erste kleine Kirche gebaut, die nach der Übereignung Reisbachs durch Herzog Tassilo an Wessobrunn durch die Wessobrunner Mönche dem Erzengel Michael geweiht wurde, weil diese das entlegene Besitztum dem Schutz des Erzengels anvertrauen wollten: „Und so wurde die Verehrung des hl. Michael, unter dessen Schutz wir jenen alten Besitz in Reisbach von der ersten Gründung des Klosters an innehatten,  auch bei uns zusammen mit dem Gedächtnis an jene Wohltat gefördert.“ (Historia Monasterii Wessofontani, deutsche Übersetzung  S 110) .  Von daher kann man den Zusammenhang der Verehrung des Erzengels Michael mit der Verehrung der hl. Wolfsindis verstehen. 

Nach der jüngeren Fassung ist die Ursache für das Martyrium die Weigerung gegenüber einem feindlichen Rottenführer, der ihrer jungfräulichen Reinheit nachstellt. Nach einem raffiniert angelegten Täuschungsmanöver gerät sie aber doch in seine Falle. Wolfsindis hat nach der Legende nun die Wahl zwischen Sünde und Tod. Aus ihrem hoch zu wertenden sittlichen Empfinden für das Gute und Reine wählt sie lieber den Tod, den ihr dieser Wüstling durch Zutodeschleifen mit einem Pferd auch zuteil werden lässt. Gleichsam als Bestätigung als Heilige und Fürsprecherin entspringt am Ort ihres Martyriums eine Quelle.

7. Die Wolfsindisquelle – Die Brunnenanlage

Die Quelle der hl. Wolfsindis stand von jeher im Ansehen heilender Kraft. Im Jahr 1762 wurde das Wasser von einer churfürstlichen Regierungs-Kommission untersucht, dann von Maximus von Imhof einige Male selbst chemisch geprüft – jedoch wurden keine heilkräftigen Bestandteile in demselben gefunden, ein Umstand, der das Wunderbare der Heilungen durch dieses Wasser noch mehr bekräftigt.

Bild 4: Brunnenanlage
Bild 5: Brunnenanlage

Bei der Renovierung der Wallfahrtsanlage in den Jahren 1998/99 haben wir im Blick auf die drei Adern der Quelle und im Blick auf das Zeugnis der hl. Wolfsindis für die Dreifaltigkeit ebenfalls auf die Zahl drei als Symbol für die Dreifaltigkeit geachtet: Wir haben am Fuße des Abhanges ein dritten Wasserbecken gebaut. Somit gibt es drei Becken für das Wolfsindiswasser: das Quellbecken unter dem Altar, das Becken auf dem „Brunnenplatz“ und das Becken am Fuße des Abhanges. Das gußeisene Becken auf dem „Brunnenplatz“ wurde bei der Renovierung  von der Ummantellung aus Rotmarmor befreit. Das Becken zeigt dreimal (!) den gedemütigten Drachen, der durch das Martyrium der hl. Wolfsindis eine Niederlage einstecken musste. Das Becken zeigt dreimal (!) den gedemütigten Drachen, der durch das Martyrium der hl. Wolfsindis eine Niederlage einstecken musste.

Bild 6: Brunnenanlage

Bild auch dafür, dass hier an diesem Ort das Böse – wie Augenkrankheiten – durch die Gegenwart und auf die Fürsprache der hl. Wolfsindis weichen müssen. Das dritte Becken am Fuße des Abhanges ist aus Rotmarmor (Rot ist Farbe für das Martyrium) gestaltet, ebenso wie der Altar über dem Quellbecken in der Kirche. Stilisiert ist hier der See Genesareth dargestellt, durch den das heilige Wasser des Jordan fließt.

Bild 7: Drachendarstellung am Wasserbecken

Das Wasser der Wallfahrtsanlage der hl. Wolfsindis deutet und vergegenwärtigt sehr gut die Tempelquelle nach Ezechiel 47. Das Wasser des Heiles kommt aus dem Altar. Es fließt unaufhörlich und spendet den Gläubigen Leben.  Auch die Fürbitte der hl. Wolfsindis kommt unaufhörlich uns zugute, wenn wir sie angerufen.

7. Die Verehrungsgeschichte der hl. Wolfsindis

Die erste Phase: Bau der ersten Kirche über ihrem Grab durch den hl. Rupert
Die Verbreitung der Verehrung der hl. Wolfsindis dürfte auf den hl. Rupert und sein Missionswerk zurückgehen. Wenn die erste Kirche in Reisbach am Ort der jetzigen Pfarrkirche durch den hl. Rupert im Rahmen seines Missionswerkes gebaut worden ist, dann ist diese Kirche vermutlich über dem Grab der hl. Wolfsindis entstanden. Somit wird die hl. Wolfsindis bereits vor ihm verehrt worden sein. Die Verehrung wird aber durch ihn eine Verbreitung erfahren haben. 

Die zweite Phase: Förderung der Verehrung durch das Kloster Wessobrunn
Coelestin Leuttner widmet in seinem Werk der hl. Wolfsindis breiten Raum.  Oftmals wird sie erwähnt.  Ihr kam in Wessobrunn eine besondere Aufmerksamkeit zu. Pater Leuttner schreibt ein eigenes Kapitel über sie in der Historia Monasterii Wessofontani. Die Feier des Festes der hl. Wolfsindis in Wessobrunn am 2. September mit 12 Lesungen, wie es im ältesten Kalender des Abtes Benedikt steht, bezeugen eine große Verehrung der Heiligen in dieser Zeit. Diese Phase endet, als Reisbach an die Warther übertragen wurde.  (Ende des 12. Jahrhunderts) 

Die dritte Phase: Wolfsindisverehrung auf „Sparflamme“
Als nach wechselvoller Geschichte der Besitz von Reisbach an die Familie von Warth kam, und damit kein Geld und keine Naturalien mehr nach Wessobrunn flossen, hörte dort die Verehrung der hl. Wolfsindis auf. „Die Erinnerung an sie ist jedoch in Urkunden, die Verehrung in den Herzen erhalten geblieben“(P. Coelestin Leuttner). In Reisbach trat im Spätmittelalter die Verehrung des Gnadenbildes St. Salvator (Nachbildung vom Volto Santo) in den Mittelpunkt. Hauptwallfahrtsziel in Reisbach wurde bis ins 18 Jahrhundert die Salvatorkirche.
Dennoch muss es eine Verehrung auf lokaler Ebene gegeben haben. Ein Dokument dafür ist uns in der spätgotischen Wolfsindis-Statue in der Martinskirche zu Dirnach, Pfarrei Gangkofen erhalten. Sie ist Werk eines anonymen Meisters, welcher der Landshuter Schule angehört haben könnte. (20)  Kürzlich tauchte ein barockes Ölgemälde mit der hl. Wolfsindis auf, von Engeln umgeben, zu ihren Füßen das Kloster Wessobrunn. Im Jahr 2009 ist es für das Museum Wessobrunn gekauft worden. Vielleicht handelt es sich um jene Wolfsindisdarstellung, über die beim Neuaufblühen der Wolfsindisverehrung berichtet wurde, dass es „eine Darstellung der Wolfsindis in einer Kirche außerhalb der Diözese Regensburg geben soll.

Die vierte Phase: Gänzlicher Niedergang der Wolfsindisverehrung
Diese Phase beginnt  1632, als Schwedische Truppen nach Reisbach kamen. Damit endet für 120 Jahre die Verehrung der hl. Wolfsindis. Ihre Reliquien, die auf dem linken Seitenaltar verehrt wurden, wurden versteckt und seither nie wieder gefunden. Die Erinnerung an die hl. Wolfsindis erlosch selbst in Reisbach. Pater Coelestin Leuttner schreibt in seiner Geschichte über das Kloster Wessobrunn, die er anlässlich des tausendjährigen Jubiläums der Klostergründung (753 – 1753) publizierte, dass in den großen Heiligenbiographien seiner Zeit nirgendwo die hl. Wolfsindis erwähnt wird. Er hat am 28. April 1752 den damaligen Reisbacher Pfarrer Johann Ev. Layminger brieflich gebeten, er möge ihm etwas über eine etwaige Verehrung der hl. Wolfsindis mitteilen. Dieser Pfarrer antwortete ihm, dass selbst die älteren Pfarrangehörigen nichts über diese hl. Jungfrau gehört haben. Umgekehrt bat Pfarrer Layminger Pater Leuttner,  er möge ihm etwas über die hl. Wolfsindis von Reisbach mitteilen. Pater Leuttner lässt ihm seine Nachforschungen zukommen.

Die fünfte  Phase: Erster Höhepunkt der Verehrung und Verbot der Verehrung
Diese Phase beginnt um 1753 (1000-jähriges Jubiläum der ersten Erwähnung der hl. Wolfsindis!).  Die Verehrung der hl. Wolfsindis erreicht 1762 einen Höhepunkt, wird aber nach wenigen Monaten unter dem Einfluss der Aufklärung verboten.
Der Reisbacher Bräuer Cajetan Niedermayer, der damalige Besitzer des Grundstückes, auf dem die Wolfsindisquelle entspringt, ließ dort selbst eine hölzerne Säule mit dem Bild der heiligen Jungfrau und Märtyrerin errichten. Da das Wasser des Fieberbrünnleins, wie ja der Name schon sagt, als heilsam und wunderkräftig galt, stieg das Ansehen und die Verehrung der Heiligen täglich, und die Wallfahrt dorthin blühte begreiflicherweise rasch auf. Am 16. Januar 1762 beschreibt der Reisbacher Pfarrer Laiminger in einem Brief an Kardinal Johann Theodor, Bischof zu Freising und Regensburg die Wallfahrt zum Fieberbrünnlein. In wenigen Wochen seien 1000 Personen dorthin gekommen, um Heilung oder Linderung in ihren Anliegen zu erfahren. Darunter seien Adelige, Geistliche, Personen der besseren Gesellschaft und auch das einfach Volk. Es gäbe zahlreiche Heilungen, auch beim Vieh. Das Bild an der Holzsäule erfahre große Verehrung, ebenso ein zweites Bild der hl. Wolfsindis, welches in der Pfarrkirche zur Verehrung angebracht wurde. Viele geheilte Personen lassen Lob- und Dankmessen feiern. Allein in der ersten Jahreshälfte von 1762 wurden 127 Mirakelberichte über Wunderheilungen aufgeschrieben. 
Zumal die Errichtung der Holzsäule ohne kirchliche Genehmigung erfolgt war, wurde die Wolfsindisverehrung von Seiten der kirchlichen Behörden eingeschränkt, vor allem bedingt durch den Einfluss der Aufklärung. Kardinal Johann Theodor wollte die neu aufkommende Wallfahrt zur Wolfsindisquelle in Schranken weisen oder gar unterbinden und ersuchte daher das Pfarramt in Reisbach  und die Regierung in Landshut, die Entfernung der Bildsäule zu veranlassen. Der vom Geist der Aufklärung geprägte Kardinal verbot für alle Zukunft die Errichtung einer Kapelle, Figur oder Säule auf diesem Grundstück.  Nun wurde das Rentamt eingeschaltet. Der Landshuter Rentmeister sowie Pfleger von  Dingolfing und Reisbach Joseph Emanuel Frhr.von Berchem schreibt an den Kurfürsten Maximilian Joseph am 16. März 1762, dass täglich bis zu 100 Personen mit verschiedenen Leiden (Fieber, Ausschlag an Leib und Köpfen, Geschwüren) kommen und Heilung erfahren. Auch er selber bediente sich dieses Wassers wegen eines schmerzhaften Zustandes über einige Wochen hinweg mit dem besten erwünschten Effekt.
Viele Menschen seien von weit her gekommen und hätten das Wasser mitgenommen, die hl. Wolfsindis um eine gute Wirkung gebeten und in der Pfarrkirche verehrt. Er erwähnt, dass der Leib der hl. Wolfsindis „von Schwedens Zeiten her“ nicht mehr gefunden worden sei. Er fände nichts Unrechtes hinter der Aufstellung der Wolfsindissäule durch den Grundbesitzer Niedermayr. Nach der Ansicht des Freiherrn handelt es sich  bei dieser Säule nur um „einen Wegweiser zur Pfarrkirche, ähnlich den Wegweisern zu anderen Wallfahrtsorten wie Altötting“. Damit wollte er die Entfernung der Säule verhindern.
Auf Anordnung des Kardinals  ließ Pfarrer Laiminger (schweren Herzens, aber dem Gehorsam verpflichtet)  in einer Nachtaktion das Bild der Heiligen von der hölzernen Säule abnehmen und dann auch diese abschneiden, um dem Kardinal darüber berichten zu können. Dieser antwortete wiederum, der Ortspfarrer dürfe nichts tun, was die neue Wolfsindisverehrung fördere. Trotzdem kamen Menschen von immer weiter her nach Reisbach: Bauern aus Tirol und vom Bayerischen Wald.

Nun wurde von Seiten der Diözese Druck und Verkauf von Gebetsblättern  mit Wolfsindisgebeten verboten. Solche wurden nämlich 1762 in großen Mengen in Landshut und in Straubing gedruckt und verbreitet. Aber der Rentmeister, der selber in Reisbach Heilung erfahren hatte,  und die Drucker widersetzten sich den kirchlichen Anordnungen und druckten weitere Gebetsblätter. Die kirchlichen und weltlichen Behörden konnten die Verehrung der hl. Wolfsindis zwar eindämmen, aber nicht unterbinden. Erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts war es möglich, die Wallfahrt wieder zu beleben.

Die sechste Phase: Neuaufleben der Wolfsindisverehrung mit dem Bau der Wolfsindiskapelle
Eine besondere Verehrung der Heiligen seines Heimatortes hegte Maximus von Imhof (geb. 1758). Er machte eingehende Forschungen über die hl. Wolfsindis und wollte noch ein Buch über sie schreiben. Sein Tod hat dies verhindert.
Im Jahr 1816 ließen die Bewohner von Reisbach auf Anregung ihres Landsmannes Maximus von Imhof  die Reisbacher Pfarrgemeinde und Gläubige aus Nachbargemeinden statt jener Bildsäule eine kleine Kirche über der Wolfsindisquelle erbauen. Von Imhof schenkte für diese Kirche ein von Professor Hauber in München gemaltes Bild, Kranke darstellend, welche die auf Wolken schwebende hl. Wolfsindis um Hilfe anflehen.
Zum Bau der Kirche hatte man keine Baugenehmigung eingeholt – vielleicht wäre sie in dieser Zeit der Aufklärung nicht erteilt worden. Der Einweihung und Benutzung des Gotteshauses aber setzten sich große Hindernisse entgegen. Das Landgericht und Kreisamt von Passau hat nicht nur das Kirchlein gesperrt, sondern sogar den Auftrag gegeben, dasselbe abzubrechen.
Der Bruder von Bischof Franz Xaver Schwäbl schreibt darüber: „Das diese Wolfsindis-Kapelle schon längst sollte abgebrochen werden und das es von der Geistlichen  wie von der Weltlichen Obrigkeit nicht bewilligt wird, die Kapelle zu weihen. Da waren die Gemüther von Reisbach ganz niedergeschlagen gewesen….“ Das Fest der hl. Wolfsindis wurde deshalb weiterhin bis 1822 am 2. September jedes Jahr in der Pfarrkirche abgehalten. Schließlich konnte Weihbischof Ignaz von Streber in München, einer der drei großen Reisbacher, am 26. August 1822 die Wolfsindiskapelle weihen. Seitdem zieht die Pfarrgemeinde am selben Tag in Prozession zum Wallfahrtskirchlein und kehrt nach dem Amt betend zurück. Seit geraumer Zeit findet diese Prozession am ersten Sonntag im September statt, während  die Hl. Messe weiterhin am 2. September in der Wolfsindiskapelle gefeiert wird.

Bild 8: Hl. Wolfsindis – Altarbild in der Wolfsindiskapelle

1824 erhielt die Kapelle einen kleinen Kuppelturm und zwei kleine Glocken. 1845 wurde der Altar aus Rotmarmor eingebaut, und zwei Jahre später erhielt dieser ein neues Gemälde,  gemalt von der Künstlerin Babette Waldhäuser in Regensburg (1817-1880).
Das bisherige Gemälde, gestiftet von M. von Imhof kam an die Seitenwand, später in die Pfarrkirche. Von jeher sind viele zur Wunderquelle pilgernde Kranke und Leidende erhört worden und haben Heilung gefunden; viele Geheilte stifteten Votivbilder, die auch heute noch in der Wolfsindiskapelle zu sehen sind. Sie konnten erst seit 1822 angebracht werden, da früher hierzu kein geeigneter Platz vorhanden war.

Bild 9: Bild der Kapelle vom Sulzbacher Kalender

Auf dem Holzstich mit der Darstellung der Wolfsindiskapelle im Sulzbacher Kalender von 1852 ist erstmals ein hölzerner Vorbau zu  sehen.
Bis 1951 waren diese im hölzernen Vorbau angebracht.  Bei der Renovierung 1951 wurde der hölzerne Vorbau abgebrochen. Zu allen Zeiten haben sich die Seelsorger bemüht, das Heiligtum zu erhalten und zu fördern. Die letzte Gesamtrenovierung wurde in den Jahren 1998/1999 durchgeführt. Es war Gemeinschaftsprojekt von Pfarrgemeinde und Marktgemeinde. Zum Abschluss der Maßnahme wurde das neue Büchlein „Die heilige Wolfsindis von Reisbach“ präsentiert. Die Segnung der Kapelle nahm H.H. Bischof Manfred Müller am 13. Juni 1999 vor, der anlässlich des Jubiläums 1200 Jahre Synode von Reisbach vor Ort war.
Seit 1999 kommen wieder viele Einzelpilger zum Heiligtum. Vor allem an schönen Tagen im Sommerhalbjahr finden sich auch Busgruppen ein. Vielfach sind es Radpilger und Fußgruppen, die zum Heiligtum kommen. Jedes Jahr dürften es wieder insgesamt Tausende Pilger sein, wie Wolfsindismesner Hermann Streck mitteilen kann.
Immer wieder berichten dabei Wallfahrer, die zum Dank zur Wolfsindiskapelle kommen, von einer erfahrenen Heilung. Oftmals wird von einer Heilung von Beschwerden an Gliedmaßen berichtet, gerade auch im Zusammenhang mit dem Wolfsindiswasser. Viele nehmen in Flaschen und Kanistern das Wolfsindiswasser mit. Sie kommen nicht nur aus der Umgebung Reisbachs, sondern auch vom Salzburgerland, vom Chiemgau, vom Bayerischen Wald und anderen Gebieten.

Bild 10: Wolfsindiskapelle, Blick von der Brücke

8. Die heilige Wolfsindis hat geholfen – ein Zeugnis aus unserer Zeit

„Unser Sohn war ein munteres, wissbegieriges und fröhliches Kind. Es verfügte schon früh über einen erstaunlichen Sprach- und Wortschatz. Im Alter von 6 Jahren bekam es innerhalb von Tagen Wortbildungsprobleme, gemeinhin als „Stottern“ bekannt.
Jahrelang versuchten wir unter Hinzuziehung aller greifbaren Kapazitäten im gesamten Bundesgebiet zunächst Heilung und als das nicht möglich erschien, eine Linderung des Leidens zu erreichen. Wir suchten unermüdlich und gingen allen Hinweisen nach, doch leider mussten wir mit den Jahren feststellen, dass alle Ansätze und Hoffnungen immer unerfüllt blieben. Alle Besserungen, die uns hoffen ließen, zeigten sich nach kurzer Zeit als die berühmten Seifenblasen, die zerplatzten und uns noch tiefer in unserem Schmerz zurückließen. …..
In diesem Zeitraum kamen wir nach Reisbach und – zur Wolfsindiskapelle. Wir baten die heilige Wolfsindis um der Hilfe bei der Heilung unseres Sohnes. Der Gedanke kam mir und meiner Frau gleichzeitig.  Daraufhin waren wir überzeugt, dass die Heilige uns erhören würde, mehr noch, dass sie uns auf diesen Gedanken brachte. Dadurch wurden auch unsere Zweifel beseitigt, dass uns Hilfe widerfahren könnte, obwohl doch die Wunder und Heilungen, die durch die Anrufung der heiligen Wolfsindis bisher bekannt waren  …  Wir trugen also in der Wolfsindiskapelle dieser Heiligen unseren Kummer in stillem Gebet vor. Zuhause bemerkten wir in den nächsten Wochen eine ständige Besserung in der Aussprache bei unserem Sohn. Gleichzeitig besserten sich auch seine schulischen Leistungen, er wurde wieder selbstsicherer, fröhlicher, kurzum – er wurde wieder fast wie wir ihn als kleinen Jungen kannten, aufgeschlossen und positiv.  …
Er machte eine Lehre, anschließend Fachabitur, später schloss er zwei Studien erfolgreich ab.
Mittlerweile ist er verheiratet und ist glücklich über seine beruflichen und privaten Erfolge.“

9. Wolfsindis – Namensgebung

Nach dem Bau der Wolfsindiskapelle war der Name Wolfsindis bei uns ein häufiger Taufname.
Nach Angaben von Pfarrer Falk wurden in Reisbach auf den Namen Wolfsindis getauft: unter Pfarrer Eggerl  1820 – 1856)  44 Mädchen; unter Pfarrer von Schleich (1856 – 1878) 19 Mädchen und unter Pfarrer Falk (1878 – 1914) 51 Mädchen. Auch in den benachbarten Pfarreien wurden  in diesem Zeitraum ca 100 Mädchen auf den Namen Wolfsindis getauft.  In den letzten 100 Jahren ist jedoch der Name Wolfsindis auch bei uns selten geworden. Schade.

10. Gebete zur heiligen Wolfsindis und Wolfsindislied

Vor allem 1762 aber auch in der Folgezeit sind viele Gebete, eine Novene und eine Litanei zur hl. Wolfsindis entstanden.  In der Dissertation von Arthur Rosenthal-Dürr und im Büchlein von P. Wilhelm Auer finden sich einige Gebete.  Zwei davon sollen hier aufgeführt sein:

Beim Gebrauch des Wassers:
O heilige Jungfrau und Märtyrerin Wolfsindis! Ich bitte dich aus demütigem Herzen, erwerbe mir bei Gott durch deine heilige Fürbitte, dass Er mir durch den Gebrauch dieses heilsamen Wassers Gesundheit verleihen möge, auch Wohltat der Seele und Vergebung meiner Sünden, eine glückselige Sterbestunde und nach diesem vergänglichen Leben die ewige Freude und Seligkeit. Amen.

Erwählung der heiligen Wolfsindis zur Schutzpatronin:
O heilige Jungfrau und Märtyrerin Wolfsindis! Ich erwähle dich heute zu meiner besonderen Fürsprecherin und Schutzpatronin. Blicke auf mein Vertrauen zu dir und stehe mir in allen Versuchungen und Gefahren dieses Lebens bei. Bitte für mich, dass ich stets Gott den Herrn fürchte, meine Sinne im Zaum halte und nie etwas Gott Missfälliges denke, rede oder tue, sondern nach deinem erhabenen Beispiel alle Anreizungen zur Sünde standhaft überwinde und dereinst im Himmel mit dir vereint Gott lobpreisen möge in Ewigkeit. Amen.

Das Wolfsindislied
Mitten durch Wiesen und Felder
sucht sich die Vils ihre Bahn.
Rauschende, grünende Wälder
zeigen zum Himmel hinan.
Perle der Heimat, edler als Gold,
heil’ge Wolfsindis, gütig und hold,
über den Vilsgrund, weit in das Land
halt deine schützend segnende Hand!
Einmal vor sehr langen Jahren
gabst du für Christus dein Blut.
Hilf uns den Glauben bewahren;
er ist das wertvollste Gut.
Rein wie dein jugendlich Leben,
heilig dein Herz und dein Sinn.
Da wir das Gleiche erstreben,
sieh uns in Demut hier knien.
Zierde und Vorbild der Jugend,
Jungfrau vom Vilstaler-Land.
Lehre uns lieben die Tugend,
bitt für uns alle mitsamt.

Melodie: P. Disibod Schaffner
Text : P. Klemens Fritz

 

Literatur

Arthur Rosenthal-Dürr und Fritz Markmiller, Die hl. Wolfsindis in Reisbach. Fakten, Legende, Kult. in: Der Storchenturm. Geschichtsblätter für die Landkreise Dingolfing, Landau und Vilsbiburg, 1991 Doppelheft 50/51 
Walter Nigg, Der Pfarrer von Ars Verlag Herder Freiburg im Breisgau 1992
P. Wilhelm Auer,  Die hl. Jungfrau und Matyrin Wolfsindis , Schrobenhausen 1888
Ferdinand Holböck, Die Heiligen Salzburgs Pustet-Verlag 1996, S 30 – 48.
Matrikel des  Bistums Regensburg 1997, S 589
Historia Monasterii Wessofontani .. Authore P. Coelestino Leuttner, 1753.  Übersetzung von Erika Schelb, hrg. von Dr. Adalbert Mayer, Pfarrer, Wessobrunn im Eigenverlag Wessofontanum, Wessobrunn 2001, v.a. S 109 – 114
Georg Kolnberger, Sankt Wolfsindis, die Heilige und Schutzpatronin des Marktes Reisbach und des ganzen Vilstales. Eine historische Studie, bearbeitet von Gg. Kolnberger: Reisbach Mai 1913
Pfarrei St. Michael Reisbach, Die heilige Wolfsindis von Reisbach, Nachdruck 2009
Pfarrarchiv Reisbach, Ordner Wolfsindiskapelle