Frühe Kirchen in Baiern
Die Reisbacher „Urkirche“

von Dr. Ludwig Kreiner, Landau

Urkundliche Erwähnungen von Kirchenbauten auf dem Lande setzen erst ganz spärlich im Laufe des 8. Jh. ein.  Die ersten Neubauten christlicher Kultbauten könnten dage-gen bereits im 6. Jh. erfolgt sein.  Wir wissen, dass die herzogliche baierische Familie ab etwa 550 den christlichen Glauben angenommen hatte, wie es das Beispiel der Her-zogtochter Theodolinde zeigt. Diesem Beispiel sind sicher sehr bald die führenden Familien im Lande gefolgt.

Entnommen aus: Die Bajuwaren. Von Severin bis Tassilo 488 – 788, Ausstellungskatalog 1988. (Das obere Gebäude auf der Illustration dürfte eine Kirche gewesen sein)

Nachweise über die ersten christlichen Kirchen in unserem Raum kann also nur die Archäologie liefern. In Niederbayern hat man in den letzten Jahren in Kelheim, Staubing bei Weltenburg, Altdorf bei Landshut, Parkstetten und möglicherweise in Niederhöcking bei Landau Spuren dieser ältesten christlichen Kirchen entdeckt.

Sie waren alle aus Holz erbaut worden und die in den Boden eingetieften Hölzer haben sich als dunklere Verfärbungen im Boden erhalten, da ja das Holz selbst in der Zwischen-zeit zu Humus geworden ist.  Die Größen dieser Kirchen reichen von 6 x 3 m (Altdorf bis zu 10 x 4 m (Staubing – mit einem Apsidenanbau von 2 x 2 m).  Alle diese Kirchen sind einfache Saalbauten-, dreischiffige Kirchen gibt es in Baiern erst ab 800 (wie etwa die zweite Heiligkreuzkirche zu Passau-Niedernburg).  Alle Kirchen waren West-Ost (Altar-raum – ex oriente lux) ausgerichtet.

Wie sahen nun diese hölzernen Saalkirchen aus?

Die in den Boden eingetieften Pfosten haben meist einen Abstand von etwa 1 m zueinander. Der Zwischenraum ist mit einem lehmbeworfenen Weidengeflecht gestaltet wor-den.  Dabei steckten gerade Stöcke (Haselnuss?) im Boden und in einem auf den Pfosten liegenden Querriegel. Geflochten wurde mit frischen Weidenzweigen. Der Wandbewurf bestand aus einem Lehm-, Wasser-, Strohgemisch.
Eine zweite Möglichkeit ist die Bauweise mit Spaltbohlen oder Brettern in den Zwischenräumen. Gute Analogien bieten uns die mittelalterlichen hölzernen Stabkirchen in Skandinavien.
Da in allen Kirchen Mittelpfosten fehlen, hat man von einem selbstragenden Dachstuhl mit einer „abgefangenen Firstsäule“ und Pfetten und Rofen auszugehen.
Ein abgesetzter Altarraum mit Chorschranke ist nur in einigen Fällen nachzuweisen aber durchaus vorauszusetzen.

Bei unserem Nachbau einer frühen Kirche aus der Zeit der Reisbacher Bischofsynode am Ende des 8. Jh. haben wir uns für eine etwas verkleinerte Ausgabe der Kirche von Staubing entschieden. Die Bauweise wird aus praktischen Erwägungen in Spaltbohlen-technik erfolgen, Die Dachhaut besteht aus Schilf. Als Erbauungsort haben wir den Pfarrgarten gewählt wegen der Nähe zur Pfarrkirche, der Einbindung in das pfarrliche Leben (Platz für den 1. Fronleichnamsaltar), dem leichten öffentlichen Zugang (vom Kirchplatz her) und dem passenden Hintergrund (Parkanlage mit Weiher). In diesem Bereich nahe der Pfarrkirche dürfte der ehemalige Standort der ersten christlichen Kir-che gewesen sein, in der man sich vor 1200 Jahren versammelt hat.